Hakahori

Unsere Fernsehkultur

Nichts hat in den vergangenen zehn Jahren so sehr an (Stellen)Wert verloren wie das Fernsehen, zumindest in meinem Leben. Oder bin ich etwa der einzige, der gemerkt hat, dass sich Niveau und Unterhaltungsfaktor in dieser Zeitspanne drastisch verändert haben? Nachrichten behandeln alles, nur keine Nachrichten; ab Mittag brüllen sich Laien-Schauspieler wie die letzten Assis Schimpfwörter um die Ohren; und in etlichen anderen TV-Formaten werden Menschen der guten Quote wegen bloßgestellt. Hat sich das Fernsehen wirklich zum Schlechten gewandelt oder habe ich es damals, in jüngeren Jahren, einfach anders wahrgenommen?

Wenn ich, rein hypothetisch, ein Kind in die Welt setzen würde (ich weiß, gruselige Vorstellung), würde ich es dann freiwillig dem heutigen TV-Programm aussetzen?
Ich bin mir sicher, dass 90% aller Eltern diese Frage mit einem entsetzten Kopfschütteln beantworten würden – obwohl sie es dann ja doch tun. 3% ist es egal, was die eigenen Kinder von der Flimmerkiste vorgesetzt bekommen. 2% sind sich gar nicht sicher, ob es überhaupt ihre Kinder sind. Und die restlichen 5% gehören zur Assi-Sippe, verstehen die Frage nicht und behaupten weiterhin steif und fest, der Storch bringe die Kinder.

Bei den heutigen Ausmaßen des angehäuften visuellen Dungs der TV-Landschaft weiß man gar nicht, wo man anfangen soll. Sehr beliebt beim heutigen TV-Format sind sogenannte Reality-Shows, gescrippted. Heißt nichts anderes, als Schmierentheater mit laienhaften Schauspielern. Jene Sendungen, wo innerhalb von Assi-Familien sinnfrei rumgebrüllt wird, inklusive Happy-End. Ein Mini-Drama. Dass man dabei als Zuschauer für Dumm verkauft wird, scheint die wenigsten Fans dieses Formats zu stören – immerhin wurde keine dieser Sendungen bisher abgesetzt, also müssen ja die Einschaltquoten stimmen. Traurig wird es, wenn man aus Versehen in eine diese Sendungen reinzappt und direkt nachweislich feststellt, dass alles nur ein Fake ist. Noch trauriger ist es, wenn Menschen alles glauben, was dort gezeigt wird, und es für eine reale Dokumentation halten. Und von diesen Menschen gibt es leider viel zu viele.
Wobei, »reale Dokumentationen« scheint es ja auch nicht mehr zu geben. Auch hier wird unlängst gelogen und betrogen, alles so zusammenschnitten, dass es eine möglichst gute Story gibt. Egal ob die dicke Vera oder die noch fülligere Tine Wittler. Das einzige, was bei diesen Sendungen noch real ist, ist das Schamgefühl des Zuschauers. Fremdschämen geht natürlich auch, beispielsweise bei Formaten wie »Deutschland sucht den Superstar« oder »Bauer sucht Frau«, wo sich die Nation köstlich über andere Leute amüsiert, die vom Sender vorgeführt werden. Schadenfreude und Fremdschämen auf einer Stufe. Die Quoten stimmen auch hier. Ein Armutszeugnis für Deutschland.

Wo wir schon beim Irrglauben und bei der Volksverdummung sind: Nachrichten. Hier nenne ich explizit RTL, die mir am ehesten mit ihrer Boulevard-Ausrichtung aufgefallen sind. Mir kommt es immer so vor, als setze sich die Redaktion der Nachrichten morgens um die aktuelle BILD-Zeitung zusammen und übernehmen die angesagten Themen 1:1 in ihr Programm. Man biegt sich Themen zurecht, so dass es passt. Man verallgemeinert schnell und kommt zu einer Meinung, die die Zuschauer gefälligst teilen sollen. Da kann es schnell mal passieren, dass eine an Diabetes erkrankte Katze eine Top-Meldung ist und weltpolitische Themen unter den Tisch fallen (wirklich so geschehen/ gesehen; RTL Punkt 12). Wieso auch die Zuschauer zu sehr beanspruchen? Lieber leichte, einvernehmliche Kost, die jeder Dorfdepp versteht. RTL schreibt uns vor, welche Nachrichten nun gut und welche schlecht sind. Dass wir sonniges Wetter lieber haben als Regen. Man wird also als Zuschauer nicht nur für Dumm verkauft, sondern obendrein noch unbewusst manipuliert.
Hier richtet sich das deutsche Fernsehen leider nach dem amerikanischen Vorbild, denn die Amis haben unlängst gemerkt, dass man mit Angst- und Panikmache für mehr Aufsehen sorgt. Vogelgrippe, EHEC-Virus oder Terrorgefahr. Groß wurden solche Themen Tag für Tag abgegrast und der Bevölkerung ins Hirn gehämmert, man solle gefälligst um sein Leben bangen. Nicht wenige lassen sich mitreißen, kontrollieren. Angst macht Menschen kontrollierbar, auch für die Politik von Vorteil – wie gesagt, amerikanisches Vorbild. Passieren dann wirklich mal Katastrophen, werden diese komplett ausgeschlachtet, über Wochen. Von Anfang an, wo man eigentlich noch nichts über Ursachen wissen kann, werden Vermutungen aufgestellt und »Experten« eingeladen, die ebenfalls noch rein gar nichts wissen können, aber dennoch das Bild vermitteln sollen, man wisse schon bescheid (Beispiel der Amoklauf in Norwegen, was ja zuerst »ganz sicher« ein Islamist gewesen sein sollte). Und die Bilder von Katastrophen, sagen wir mal den Tsunami von Fukushima, Japan, werden zudem noch mit schnulzig-trauriger Musik untermalt. Als wenn der Zuschauer zu blöd wäre, um zu merken, dass eine gigantische Welle tatsächlich ein Unglück ist. Nein, man muss noch extra auf die Tränendrüse drücken. Verlogen wird dieses mitleidige Programm durchgezogen, ehe es in der Versenkung verschwindet und noch mal zum Jahrestag kurz erwähnt wird. Scheiß auf die Opfer, das Thema interessiert keinen mehr.
Ach ja, und dann gibt es natürlich auch noch die immer wiederkehrenden Themen. Banale Themen, wie Ostern, Weihnachten oder Sommer. Auch dieses Jahr wird es unter Garantie wieder einen Bericht geben, dass Männer auf den letzten Drücker versuchen Geschenke zu kaufen. Dazu werden natürlich Passanten befragt, die sich auch jedes Jahr wiederholen. Im Sommer wird über die Hitze gestöhnt und es werden Tipps gegeben, was man dagegen tun kann – jedes Jahr der gleiche Mist. Von Silvester will ich gar nicht erst anfangen.
Selbsternannte Nachrichten – egal auf welchem Sender – sind nur noch zum Kotzen. Ich beziehe meine Infos nur noch aus dem Netz. Objektive, parteilose, nüchterne, unvoreingenommene Nachrichten. So, wie sie eigentlich sein sollten.

Ein weiterer Grund, seine Kinder vor der TV-Landschaft wegzusperren, sind die Schönheitsideale. Nackte Haut sieht man schon zur Mittagszeit auf der Mattscheibe, einfach so. In meiner Jugend war das jedenfalls nicht gang und gäbe. Blanke Oberweiten sah man erst nach 23 Uhr, in den bekannten Werbesendungen. Jetzt kriegt man das alles schon viel früher zu sehen, in »seriösen« TV-Reportagen oder Berichten. Spontan fällt mir X-Diarrhöe ein, wo es letztlich auch nur um Sex geht. Oder Galileo-Berichte über Saunen etc. Und da wundert man sich, dass die »Jungend von heute« frühreif ist und feucht fröhlich in der Welt rumvögelt. Tabus gibt es nicht mehr.
Hinzu kommt das vorgegaukelte Bild des perfekten Menschen. Wie muss ein junger Mann oder eine junge Frau heutzutage aussehen? Hm? Das Fernsehen erklärt es einem: Ein Mann muss heute schlank, fit und durchtrainiert sein, natürlich mit voller Brust, Waschbrettbauch, makellosem Teint und vollem Haar. Brille, Zahnspange oder andere Makel existieren in dieser Welt nicht. Bei der Frau sieht es nicht besser aus: 90-60-90, voll-schlank, möglichst große Brüste und natürlich möglichst runder Hintern. Cellulite, Körperbehaarung oder gar nicht jederzeit willig – gibt es nicht. Pubertierende sehen jetzt diese Menschen im Fernsehen, immer und überall (egal welche Sendung oder Soap, egal welcher Sender, egal welches Thema), und richten sich automatisch danach. Menschen, die eben nicht dem vorgeschriebenen »Ideal« entsprechend, werden ausgegrenzt. So einfach ist es. Und jetzt soll mir mal einer sagen, wozu das gut sein soll.

Das Fernsehen ist nicht mehr das, was es mal war. Oder doch? Ich kann die Frage, ob es damals auch schon so war, nicht zu 100% beantworten. Ich weiß nur, dass das, was man heute zu sehen bekommt, den Rahmen sprengt. Sender unterbieten sich täglich im Niveau, Zuschauer gehen mit. Mittlerweile lasse ich die verblendeten Leute in ihrem Glauben, dass dieses und jenes, was sie im Fernsehen gesehen oder gehört haben, auf jeden Fall stimmt. Bei mir bleibt der Fernseher jedenfalls immer öfter aus. Um nicht komplett zu verdummen, lese ich mehr (Bücher). Gute Filme, die im TV kaum mehr laufen (und wenn, dann geschnitten), hole ich mir via DVD bzw. Blu-Ray auf die Glotze. Und Unterhaltung generell über Internet und/ oder Konsole. Das reicht vollkommen aus. Irgendwie muss man ja der Verblödung entgehen, die jeden Tag passiert und wofür man auch noch Gebühren zahlt! Und alles in der Hoffnung, dass so viele Leute wie möglich diesem Vorbild folgen und so der vollkommenen Verblödung entgehen.



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