Yuriam

Alles auf Schwarz

Ein kleines Selbstexperiment

Ich habe mir nie viel aus Glücksspiel gemacht. Zum Einen, weil ich nicht wirklich an das Glück im Sinne einer positiv auswirkenden Zufälligkeit glaube, zum Anderen, weil es sowas gerade im Glücksspiel nicht gibt, sondern vielmehr das Glück durch diejenigen kontrolliert wird, die durch das herbeigeführte Pech des Spielenden Profite machen. Im Grunde ist Glück im Spiel nicht etwa das unvorhersehbare, aber gewünschte Erzielen möglichst hoher Gewinne, sondern eher das Überstehen des Spiels, ohne dabei so manipuliert zu werden, dass man sein metaphorisches, letztes Hemd verliert. Mögliche Gewinne sind dabei ebenso kontrolliert, wie höher ausfallende Verluste, ebenfalls durch die Profiteure im Hintergrund – man will die zahlende Kundschaft schließlich bei Laune halten, dem Abhängigen hin und wieder etwas von dem geben, wonach es ihm gelüstet, nur um es ihm danach mehrfach wieder abzunehmen.

Trotz dieser recht endgültigen Meinung über das Glücksspiel, habe ich meine Ansichten am vergangenen Wochenende für circa 24 Stunden verdrängt. Natürlich nicht einfach so ohne eine Initialzündung. Mein Interesse wurde vorallem dadurch geweckt, dass sich meine Kollegen während meinen freien Unterrichtsstunden vermehrt über Sportwetten unterhalten und ich dabei durchaus einen deutlichen Enthusiasmus vernehmen konnte. Letztendlich wollte ich mir das Ganze einfach mal ansehen. Unsere Eltern haben uns ja nicht umsonst ständig gepredigt, wir sollen unsere eigenen Erfahrungen machen. Andererseits sagten sie auch, wenn nicht sogar öfter, dass wir nicht von einer Brücke springen sollen, nur weil es ein anderer vormacht. Das war vielleicht gar nicht so verkehrt, wie wir immer dachten.

Aber nungut, in der Nacht von Sonntag auf Montag habe ich mich bei einem großen internationalen Online-Portal für Sportwetten registriert und meinen Account spontan mit 10€ Guthaben aufgeladen. Dank bekannter Online-Dienste geht das innerhalb einer Minute ohne Verzögerung oder Wartezeit. Langsam, aber sicher, habe ich mich an kleinere Wetten gewagt, grundsätzlich immer nur mit dem Mindesteinsatz von 50 Cent. Das funktionierte soweit auch verhältnismässig gut. Ich verlor mal 50 Cent, gewann einen Euro oder zwei und verlor wieder einen Euro. Immer gerade so weit, um wenige Cent-Beträge als Gewinn verbuchen zu können, aber ohne dabei stetig auf der Stelle zu treten. Wie man sich allerdings vorstellen kann, ist, beziehungsweise war das nun nicht sonderlich befriedigend. Ich versuchte mich an etwas gewagteren Wetten, wartete stets ab, um noch eine annehmbare Quote zu erhalten, ohne dabei zuviel möglichen Verlust zu machen.

Die ersten 12 Stunden liefen nach diesem Schema ab, bis ich nach ein paar Stunden Schlaf gegen Mittag aus meinen 10 Euro immerhin schon 18 Euro erzockt hatte. Aber auch das war selbst nach so kurzer Zeit nicht mehr ansatzweise zufriedenstellend. Ich schaute mich in den aktuell laufenden Sportevents um und blieb bei einem deutschen Eishockey-Spiel hängen. Ich wartete wieder wie gewohnt etwas ab, versuchte die Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten (bei einem Glücksspiel, ich Depp) zu berücksichtigen und ging auf eine äußerst gewagte, aber nicht abwegige Wette ein: Sieg für die Heimmannschaft und mehr als insgesamt 6,5 Tore bis zum Ende der regulären Spielzeit. Aktuell stand es zu diesem Zeitpunkt 3:3 und die Quoten waren gut, ebenso die Chancen mein Guthaben zu vervierfachen. Ich setzte nahezu alles an Guthaben, das ich zur Verfügung hatte und schaute mir via Stream gespannt die letzten 15 Minuten des Spiels an. Um eine weitere laufende Wette gleich mitnehmen zu können, lud ich ein paar weitere Euro auf meinen Account.

Ich muss wohl nicht sagen, dass ich letztendlich keine der Wetten gewonnen habe.

Aber irgendwie war das noch nicht genug. Ich hatte das vorher von mir festgelegte Guthaben fast verbraucht, hatte mir zu Beginn selbst geschworen, nach dem Verlust und dem unvermeintlichen Ende dieses Experiments selbiges zu beenden und diesen Schwur ohne mit der Wimper zu zucken gebrochen. Ich dachte wirklich, ich wüsste, wann es Zeit ist aufzuhören, doch irgendwas hielt mich gespannt und stets nach Möglichkeiten suchend am Bildschirm. Ich nutze das verbleibende Guthaben von einem Euro und ein paar Cent, um mich langsam wieder hoch zu hangeln. In wenigen Stunden verfünffachte ich den Euro und hatte somit genug, um mich erneut einer größeren Wette zu widmen. Diesmal entschied ich mich für Dart. Da ich mich damit eine Weile beschäftigt, eine Vielzahl an Matches gesehen habe und ich auch einen Großteil der aktuell teilnehmenden Spieler glaubte gut einschätzen zu können, fiel die Wahl relativ leicht. Ich kümmerte mich wenig um die kleineren Wetten nebenher und setzte die 5 Euro einfach auf Sieg des favorisierten Spieler. Mit Erfolg. Ich nutze den gewonnenen Betrag und setzte diesen auf den potentiellen Sieger des nächsten Matches. Ich war zuversichtlich, ließ aber etwas übrig, um nicht alles zu verlieren. Entgegen der Erwartung und den Quoten verlor ich diese Wette erneut. Gefrustet nahm ich den übrig gebliebenen Rest meines Guthaben und knallte diesen einfach auf die Wette des nachfolgenden Dart-Matches. Mit dem selben Ergebnis: Verlust. Ich hatte Nichts mehr.

Bevor ich das allerdings wirklich realisieren und mich an meine eigentliche Abneigung, sowie an den bereits gebrochenen Schwur erinnern konnte, tat ich etwas, was mich im Nachhinein wirklich geschockt hat: Ich lud mein Guthaben erneut auf. Nochmal 10 Euro, wie die beiden Male zuvor. Ich wollte es wissen. Ich war im Rausch. In einem Rausch, ausgelöst durch den Verlust von Geld und dem Bedürfnis das Verlorene zurückzugewinnen.

Das erneut aufgeladene Guthaben ging eben so schnell in Rauch auf, wie das zuvor. Doch hier war Schluss. Das Maximum, das ich vor Beginn dieses kleinen Experiments, vielleicht etwas zu großzügig und naiv, für meinen Account festgelegt hatte, war erreicht. Keine weiteren Aufladungen möglich, keine weitere Zockerei. Nach einem Tag war Ende. Aus. Vorbei. Ernüchterung machte sich breit, eine Spur von Entsetzen wegen meines Verhaltens keimte in mir auf und ich machte das wohl einzig Richtige: Ich sperrte den Account. Feierabend.

Keine Ahnung, wie lange ich danach auf dem Sofa gesessen, an die Decke gestarrt und über das Geschehene nachgedacht habe, aber fest steht: Für mich war es das. Glücksspiel ist genau das, was ich bereits zu Beginn davon hielt. Ich habe mein Lehrgeld bezahlt, konnte mir selbst ein Bild davon machen und bin um eine Erfahrung reicher, auch wenn ich mir die Nummer des Geldes halber eher hätte schenken können. Meine Meinung wurde nur noch mehr bestärkt und ich rate auch weiterhin jedem davon ab, sich mit Glücksspiel zu beschäftigen. Jetzt sogar mehr denn je. Ich bestreite nicht, dass der Spaß am Glücksspiel nicht zwangsläufig mit Spielsucht einhergeht, aber die Linie zum Übergang zur Spielsucht ist sehr, sehr dünn. Dünn genug, um es selber nicht zu merken. Lasst einfach die Finger davon. Nehmt euer Geld und macht irgendwas Sinnvolles damit. Legt es zurück, versteckt es in eurer Matratze oder kauft euch was Schönes davon. Irgendwas. Selbst die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Geld in eurem Portemonnaie geschlechtlich fortpflanzt ist höher, als die, dass ihr im Glücksspiel ernsthaft etwas gewinnt und mit einem Plus aus diesem Abgrund wieder herauskommt.



Keine Kommentare

  1. Hakahori sagt:

    Ein interessantes Experiment – und nicht ungefährlich, wie ich sehe. Spielsucht oder generell Sucht ist nicht zu unterschätzen. Ich bin mir nicht sicher, ob man gezwungenermaßen selbst Erfahrungen sammeln muss, um das einzusehen. Wenn es gut geht und man auch wieder aus dem „Sumpf“ rauskommt, dann ja, klar. Aber es kann ja auch schnell ins Auge gehen.

    Ich lasse da lieber meine Finger von. Wäre mir auch zu schade ums Geld, ich alter Geizhals^^