Hakahori

Eine Nacht durch Kölle

Es gibt viele Wege, jemandem etwas Gutes zu tun. Als freundschaftliche Geste gemeint, schenkte mir ein guter Bekannter eine »Nachtwanderung« durch Köln. Denn auch wenn man der Ansicht sein könnte, ich sei ein kölsche Jung und ich kenne mich in all den Veedels aus, ist das nicht der Fall. Leider. Dementsprechend hatte ich mich über diese Einladung gefreut, die wir dann gemeinsam am Samstag, pünktlich um 22 Uhr antraten.

Mit dem Wetter hatten wir – wie man‘s nimmt – Glück. Es hat nicht geregnet, war eher viel zu warm in der knallenden Sonne. Selbst zur angesprochenen Zeit wollte sich die Luft nicht abkühlen. Je nachdem in welcher Häuserschlucht man stand, zog aber immerhin ein erfrischender Wind vorbei.
Vereinbarter Treffpunkt war der Heinzelmännchenbrunnen, unweit vom Dom. Hier tummelten sich schon einige Scharen von Interessenten, die ebenfalls an der Tour teilnehmen wollten. Grob geschätzt waren es insgesamt an die 60 Leute. Glücklicherweise wurde die Gruppe aber geteilt und wir entschieden uns für den authentischeren Gruppenführer. Wie man das entscheidet? Nun… wenn man ein echtes kölsches Original sieht, erkennt man es sofort.
Als »Gruseltour« angekündigt, versicherte uns der Führer vorab, dass dem nicht so sei. Persönlich konnte ich mir jetzt auch nichts darunter vorstellen. Die Reiseagentur bzw. der Anbieter dieser Touren hat sich da wohl etwas unglücklich ausgedrückt. Fakt ist, dass man nicht erschreckt wurde und nirgends ein Gespenst aus der nächsten Ecke springt. Abgesehen von den üblichen Gestalten, die sich um diese Zeit in Köln so rumtummeln (…). Es wird also eine Tour zu historischen Stätten Kölns und dazu erzählt man uns die dazugehörigen Geschichten, Sagen und Mythen. »Geschichten, die größtenteils lustig sind, aber teils auch zum Nachdenken anregen sollen.« Die Fackel wurde entzündet und es ging los – zum »kleinen Kapellchen am Bahnhof« (Gemeint war natürlich der Kölner Dom…).

1:1 wiedergeben, kann ich die ganze Wanderung natürlich nicht. Dafür gab es einfach zu viel zu sehen und zu viel zu hören. Die Sagen kannte ich größtenteils nicht, habe also etwas dazu gelernt – auch wenn sich das meiste dank meines Kurzzeitgedächtnisses schon wieder verflüchtigt hat. An wie vielen Stätten wir Halt machten, kann ich auch nicht mehr sagen. Verteilt auf gute zwei Stunden (inkl. Pause), müssen es wohl an die zehn gewesen sein. Erst am Schluss sagte man uns, dass man quasi nur ein mal um den Dom gegangen ist und nie mehr als fünf Schrittminuten davon entfernt gewesen war.

So spaßig und unterhaltsam die ganze Tour auch war, gab es einen einzigen Halt, der mal so gar nicht von Heiterkeit angehaucht war und einem schwer im Magen lag. Mir zumindest. Wir machten am Rheinufer halt, direkt an der Hohenzollernbrücke – am Rosa Winkel Mahnmal, ein Gedenkstein für die schwulen und lesbischen Opfer des Nationalsozialismus in Köln.
Mit der Fackel in der Hand, erzählte uns der gute Mann mit nun mehr ernster Miene, dass Köln nicht nur heute eine homosexuelle Hochburg ist, sondern dass auch schon zur damaligen Zeit jeder mit jedem verkehren konnte. In der Reichskristallnacht sollte es vor allem den Schwulen dafür an den Kragen gehen. Man schnappte sich fast 30, die sich in den damals bekannten Ecken tummelten, hetzte sie unter die Hohenzollernbrücke (was damals ebenfalls ein bekannter Fleck für die homosexuelle Szene war) und ließ die Klingen sprechen. Mit langen Messern schlitzte man jedem einzelnen den Bauch auf – bis zur Kehle. Man entweidete sie und hing die qualvoll sterbenden Opfer über die Brüstung der Brücke, wo sie noch tagelang hingen.
Mir blieb die Spucke weg und die Gruppe war ebenfalls mit einem Mal verstummt. An dieser Stelle stehend, im Dunkeln, mit einem Erzähler, dessen Gesicht im Schein der flammenden Fackel wirre Schatten wirft. Es hatte etwas von einer Gruselgeschichte, wenn es denn nur eine erfundene Geschichte gewesen wäre. Schwere Kost. Der Halt an dieser Stelle endete mit dem Appell, dass man diese Zeit und diese Taten niemals vergessen dürfe. Es sei doch völlig egal, wen man liebe. Leben und leben lassen.
Mit einem Kloß im Hals ging es dann weiter.

Die restlichen Geschichten und Sagen waren weniger Düster. Eher unterhaltsam. Rast wurde übrigens in einem klassischen, kölschen Brauhaus gemacht, dessen Köbes (aka Kellner) die meisten Touristen wohl mit seiner Art verschreckte. Denn dass ein kölscher Köbes nicht freundlich ist, eher brüllt, seine Witze über Gäste reißt und diese auch mal anpflaumt (»Wem gehört diese beschissene Handtasche?«, als er mehrmals drüber stolperte), sollte man vorher wissen. Er fragt auch nicht freundlich, was man gerne trinken möchte, sondern: »Hand hoch, wer kein Kölsch kriegt!«. Da geht einem doch das Herz auf.^^ Altbier sollte man übrigens nie in so einer Lokalität bestellten. Hat sich an diesem Abend aber auch keiner getraut – glücklicherweise.

Insgesamt war es eine wirklich unterhaltsame und gut gemachte Tour. Ich habe viel von Köln bzw. der Altstadt erfahren, was ich vorher noch nicht wusste. Ich hoffe nur, dass mir so viel wie möglich davon auch in der Erinnerung bleiben wird. Wäre schade drum. Auch der Führer war die richtige Wahl, ein echtes kölsches Original. Platt sprechende Kölsche sind mir einfach sympathisch, so auch hier. (Und natürlich konnte er sich den ein oder anderen Düsseldorf-Witz nicht verkneifen, logisch.)
Kann die Wanderung also jedem empfehlen, der Köln mal als »Immi« besuchen kommt!



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