Hakahori

Der Austritt

Gerade zu dieser »besinnlichen« aka Weihnachtszeit fällt mir eine gewisse Scheinheiligkeit bei so gut wie allen Menschen da draußen auf. Es ist schon merkwürdig. Die meisten behaupten, sie gehen keinem bestimmten Glauben nach, sind aber – auf dem Papier – Mitglied irgendeiner Glaubensbewegung, einer Religion. Wozu? Nur in Ausnahmefällen rafft man sich doch zu einem Kirchengang auf, wenn jemand heiratet oder beerdigt wird; so gesehen quasi nur in Trauerfällen (…). Niemand, den ich kenne, glaubt an das, was man gemeinhin als »Gott« bezeichnet, und wenn, dann nicht an die biblische Gestalt. Wieso gehört man dann eigentlich dieser oder jener Glaubensrichtung an?

Diese Frage habe ich mir schon vor einiger Zeit gestellt und kam auf keine plausible Antwort. Mich verbindet mit der katholischen Kirche gar nichts. Ich wurde, wie viele andere auch, nicht gefragt, ob ich getauft werden will oder nicht. Ich habe die Bibel nie gelesen, glaube auch nicht wirklich an die Jesus-Saga, an die 10 Gebote oder gar an die Hölle. Und mit der heutigen, konservativen, unmodernen Denke der Kirche bzw. dessen Oberhaupts kann ich erst recht nichts anfangen. Ich habe mir genügend Zeit genommen und dann relativ schnell entschieden, dass ich um einen Austritt nicht drumherum komme. Und da ich keiner dieser Menschen bin, die es nur sagen und nie tun, habe ich es jetzt durchgezogen. Meine erste Anlaufstelle war das Amtsgericht.
Man braucht nicht viel, um sich von einem aufgezwungenen Glauben zu lösen. Eigentlich nur seinen Personalausweis und Geld – natürlich, die Kirche macht nichts umsonst. 30 Euro muss man blechen, um aus der Kirche auszutreten. Aus einem Verein, in den ich quasi reingeboren wurde ohne auch nur einmal gefragt worden zu sein. Jedenfalls ging alles kurz und schmerzlos. Ein Antrag wurde ausgefüllt und unterschrieben, das Geld wurde kassiert und ich verließ das Amtsgericht mit meinem Wisch in die Freiheit. Nächste und letzte Anlaufstelle war dann das Finanzamt. Durch den Kirchenaustritt entfällt logischerweise die Kirchensteuer, was wiederum in der Lohnsteuerkarte vermerkt werden muss. Also Nummer ziehen, warten, ein Formular ausfüllen, Stempel drauf und fertig. Jetzt bin ich ein freier Mensch, gefühlt.

Dass ich jetzt rein formell keiner Glaubensrichtung angehöre heißt übrigens nicht, dass ich jetzt als Atheist weiterlebe. Auch als Agnostiker würde ich mich nicht direkt bezeichnen. Ich habe einen Glauben und glaube bzw. hoffe viel mehr auf eine höhere Macht irgendwo da draußen. Logisch gedacht muss es so sein, denn wenn die Menschheit die Krönung aller Lebewesen im ganzen Universum darstellen soll… allein bei dieser Vorstellung wird mir ganz schlecht. Mein Glaube geht in die buddhistische oder hinduistische Richtung, wo es mehr um Harmonie und Menschlichkeit geht als um Regeln, gut oder böse, richtig oder falsch.
Mit meinem Austritt lebt es sich gefühlt gleich besser. Ich unterstütze jetzt keinen scheinheiligen, heuchlerischen Verein mehr, der sich Nächstenliebe vielleicht groß auf die Flagge schreibt, diese aber, wie wir ja mittlerweile wissen, etwas zu wörtlich nimmt und ihre Nächsten lieben – ob sie nun wollen oder nicht; ich erwarte einfach mal vom gescheiten Leser, dass er versteht, was ich meine. Ich spare mir mal weitere Lästereien, ändern wird sich ja sowieso nichts.
Apropos sparen: Die Ersparung der erwähnten Kirchensteuer ist natürlich auch ein guter Grund für einen Austritt. Hier kann man mir jetzt mit dem Argument kommen, das Geld käme wohltätigen Zwecken zu Gute und würde nun fehlen. Stimmt das? Weiß man das ganz genau? Ich würde meine Hand dafür jedenfalls nicht ins Feuer legen. Nicht, dass man so am Ende den neuen »Dienstwagen« des ansässigen Pastors oder gar eine Anti-Kondom-Kampagne in Afrika finanziell mit unterstützt. Da suche ich mir lieber selbst einige wohltätige Organisationen raus und spende wann, wie viel und so oft ich will. Dafür muss ich keiner Kirche angehören.
Gut, ich kann jetzt nicht mehr kirchlich heiraten und es wird sicherlich auch irgendwelche Nachteile in Sachen Beerdigung geben (was mich recht wenig interessiert, denn wenn ich tot bin, bin ich tot), aber das ist es mir allemal wert, aus Gründen. Und ich kann es nur jedem raten, der sich mit seinem Glauben nicht mehr oder noch nie identifizieren kann/ konnte. Ja, es ist eine Lauferei und man muss dafür seinen inneren Schweinehund überwinden. Eier beweisen war noch nie einfach. Es ist immer schwer den Arsch hoch zu bekommen und generell eine Frechheit, dass man auch noch Geld dafür bezahlen muss, aber das ist meiner Meinung nach der einzige Weg ein Zeichen zu setzen. Für sich selbst und auch irgendwo für andere.
Generell ist es nicht ungesund, Dinge, die einen täglich umgeben, beschäftigen oder gar leiten zu hinterfragen. Wie in diesem speziellen Fall: Ist es – für mich – wirklich sinnvoll einer Gemeinschaft, einer Religion anzugehören, in der ich mich 1. nicht wohl fühle und 2. dessen Glauben ich nicht teile?

Übrigens habe ich nichts gegen gläubige Christen oder whatever. Jeder darf und soll auch an das glauben dürfen, an was er eben glauben will. An irgendwas müssen die Menschen ja scheinbar auch glauben, um sich stets zu motivieren und in gewissen Situationen nicht den Verstand zu verlieren. Solange es keinen anderen Menschen schadet, wäre ich der letzte Mensch auf diesem gottverdammten Planeten, der etwas dagegen hätte. Aber sobald einem die eigene Religion irgendwas vorschreibt oder – noch schlimmer – denunziert und über drei Ecken als »minderwertig« oder »in Sünde lebend« bezeichnet, hört der Spaß auf.



Keine Kommentare

  1. Patrick sagt:

    Ich habe auch schon vor einiger Zeit überlegt, trete ich aus oder eben nicht?!
    An sich habe ich mit Kirche nichts am Hut, jedoch übernimmt die Kirche als Träger für viele soziale Aufgaben ein wichtiges Feld. Mein einziger Grund, der mich dazu bewegt, die Kirche nicht zu verlassen.