Hakahori

Neuer Job

Auch ohne Krawatte

Einige werden sicher mitbekommen haben, dass ich schon seit geraumer Zeit versuche, einen neuen beruflichen Weg einzuschlagen. Dass mich mein jetziger Beruf nicht mehr ausfüllt und fordert und ich mich am Liebsten so schnell wie möglich aus dieser Sackgasse heraus manövrieren will. Einfacher gesagt, als getan.
Seit Monaten schreibe ich schon Bewerbungen und komme nicht auf einen grünen Ast. Natürlich gibt es hier und da mal Vorstellungsgespräche, aber an den entscheidenden Stellen bleiben diese aus. Entweder man will mich nicht oder ich will die nicht. Wie es eben so ist. Immerhin ist das ein kleiner Luxus, den ich habe: Ich stehe nicht mit dem Rücken zur Wand und kann mir meine Stelle in Ruhe »aussuchen«.

Nach dem Sommerloch, habe ich eigentlich in diesem Jahr nicht mehr mit Bewerbungs-Action gerechnet. Doch es gab auf den letzten Drücker (November und Dezember) mit einem Mal einige Termine, die ich wahrnehmen musste.
Telefoninterviews, das habe ich in der Zeit gelernt, sind mittlerweile gang und gäbe. Finde ich auch vollkommen in Ordnung. Bei einer Flut an Bewerbern, ist es umso schwieriger eine erste Auswahl zu treffen. Und es kommt beiden Parteien entgegen: den Arbeitgeber hält es nicht großartig von der Arbeit ab und der Bewerber muss sich nicht unnötig schick machen. Die Stimme reicht.
Ist diese Hürde geschafft, folgt in der Regel das persönliche Kennenlernen. Diese Chance zu kriegen ist schon seltener geworden, zumindest bei mir. Warum auch immer.

Von einem speziellen Vorstellungsgespräch kann ich an dieser Stelle aber gern berichten.
Diesem ging zwar kein Telefoninterview, dafür aber ein nettes -gespräch voraus. Einfach nur zur Terminabsprache, rufte mich der Herr Soundso an und er klang am Telefon unheimlich sympathisch und locker. Umso lockerer ging ich dann eines Tages ins angesetzte Gespräch im Herzen Kölns.

Eine adrett gekleidete Dame öffnete mir die Tür, zeigte mir, wo ich mich meiner Jacke entledigen konnte, deutet in die Richtung der Toilette für den Fall, dass ich vor dem Gespräch noch mal müsse, und führte mich nach dem Verneinen meinerseits ins nächste Bürozimmer.
Der Herr ließ etwas auf sich warten, telefonierte noch lauthals und gelassen mit wem auch immer. Irgendwann war auch dieses Gespräch beendet und er hatte Zeit meines aufzunehmen. Nach dem kurzen obligatorischen Small-Talk folgte auch schon ein Beweis seiner Scharfsinnigkeit:
»Ein Fan von Krawatten sind Sie nicht, oder?«
Zugegeben, ich bin nicht wirklich ein Anzugträger. Wenn das der Fall gewesen wäre, hätte ich eine Karriere im Bank- oder von mir aus auch im Versicherungsgewerbe angestrebt. Ich war eigentlich gekleidet wie immer: schlichte schwarze Schuhe mit einer guten, schwarzen Jeans und einem neutralen, gut gebügeltem Hemd. Dazu noch mein charmantestes Pokerface und ich war komplett. Na ja, bis auf die Krawatte halt.
»Aber keine Sorge, das ist kein KO-Kriterium…«, versicherte er mir mit einem ekligen Lächeln.
Und da fiel es mir wie Schuppen von den Haaren Augen. Ich war blind! Wie konnte ich so verstrahlt sein und annehmen, ich wäre hier unter meinesgleichen?! Die Tussi, die mir eben die Tür geöffnet hatte, wieso ist mir nicht schon da ihre Aufmachung aufgefallen? Schwarzer Rock, weiße Bluse, schwarzer Blazer. Ich meine sogar, einen Dutt gesehen zu haben. Und dann noch der Hinweis auf die Toilette mit den Worten: »Für den Fall, dass Sie sich frisch machen wollen…«. Frisch machen? Männer machen sich nicht frisch!
Natürlich, ich war in einem Ete-Petete-Laden gelandet. Anzugspflicht. Und mir fiel erst jetzt auf, wie man mich die ganze Zeit unauffällig von oben bis unten taxiert hatte. Wie konnte ich es nur wagen ohne Krawatte zu erscheinen? Asche über mein Haupt!
Aber im Ernst, spätestens nach diesem »KO-Kriterium«-Quatsch hatte ich schon unbewusst eine gesunde Entscheidung getroffen. Trotzdem spielte ich das Spielchen noch eine gute Stunde mit, aus Trotz und innerlicher Belustigung. Wann habe ich schon mal die Möglichkeit einem zweizüngigen Profi zuzuhören? Jemandem, der eine eklige Rolle spielt und ständig zwischen indirekter persönlicher Beleidigung und sympathischen Lobhudeleien hin und her springt. Ein Janus wie er im Buche steht. Und ich habe es überstanden.

Die Entscheidung hatte ich rechtzeitig gefällt, wie gesagt. Also weiter Ausschau halten. Es muss doch noch gute Stellen geben. Es heißt doch immer, es gäbe noch soooo viele freie Stellen auf dem Arbeitsmarkt. Wo verstecken die sich also?

Neben weiteren kleineren Chancen, die es letztlich nicht waren, rückte eine größere immer näher.
Kurz nachdem ich die Bewerbung per Mail abgeschickt hatte, bekam ich auch schon eine Antwort und einen Termin zum – Überraschung – Telefoninterview. Das lief auch nicht schlecht und so lud man mich Tags darauf zu einem persönlichen Vorstellungsgespräch ein.

Optimistisch und voller Hoffnung erzählte ich das meinen Eltern, die erst mal wissen wollten, was diese Firma überhaupt machte. Irgendwann gab ich den hoffnungslosen Versuch auf, ihnen den Begriff »Domain« näher zu bringen (»Das ist das, was Du oben im Browser eingibst, um auf eine Internetseite zu kommen.«»Brauser? Häh?«).
»Viel Glück« wünschte man mir übrigens nicht. Stattdessen steckte man mir den Spruch zu: »Aber wollen die nicht jemanden mit mehr Berufserfahrung?«
Danke für nichts.
Am Ende muss ich mich immer selbst motivieren und mich selbst wieder aufrappeln, wenn es denn dann doch nichts wird. So war es aber schon immer; aber das ist ein anderes Thema, was locker eine Handvoll eigener Blogs füllen würde.

Jedenfalls…
Das Vorstellungsgespräch stand an und ich tauchte pünktlich auf. Ich weiß nicht, kennt ihr das Gefühl, dass plötzlich ein Knoten geplatzt ist und alles wie von Geisterhand einfach funktioniert? Man fühlt sich in Topform und alles scheint perfekt zu laufen. So habe ich mich an diesem Morgen gefühlt. Fast schon erschreckend, dass mal etwas klappte.
Ich beantwortete alle gestellten Fragen zufriedenstellend, wusste scheinbar auf alles die erwartete Antwort und sammelte so spürbar wichtige Punkte.
Vielleicht wurden aber auch nur die richtigen Fragen gestellt, keine Ahnung.
Nach dem obligatorischen Gespräch, das vielleicht eine gute Stunde dauerte, kam der mir unbekannte Part. Eine Case Study (zu Deutsch: Fallstudie) stand an und war für mich eine Premiere. Ich habe ja schon alles mitgemacht: von Einzel- über Gruppengespräche, von Gruppenaufgaben bis hin zu den simpelsten Eignungstests – aber so etwas war neu (und ist mittlerweile Standard, wie ich erfahren habe). Was so mysteriös klingt, war letztlich nur die Bearbeitung einer Anfrage eines fiktiven Kunden; zumindest in meinem Fall. Kurz vor Schluss der angesetzten 45 Minuten war ich fertig und konnte von dannen ziehen.

Keine zwei Tage später bestätigte sich mein Gefühl und man gratulierte mir per Telefon zu meinem neuen Job.

Es ist schon komisch. Die ganze Zeit stellt man sich vor, wie es wohl wäre, wenn man plötzlich diese Meldung bekommt und wie man darauf reagieren würde, wie sehr man sich freuen würde und wie erhaben und erleichtert man sich fühlen müsste. Und dann, wenn es soweit ist, und die Situation eintritt, ist man erst mal baff. Gelähmt von der Tatsache, dass es jetzt endlich weiter geht. So ging es mir.
Ein Neuanfang steht ab Februar in einem jungen, lockeren, sympathischen Umfeld an – und ich könnte mich nicht mehr freuen. Ich bin gespannt, wie es sich so in Köln leben bzw. arbeiten wird; ob die Kolleginnen und Kollegen wirklich so locker sind, wie sie im vorbeigehen auf mich wirkten; und natürlich ob ich mich schnell einleben und wohlfühlen werde. Fakt ist aber jetzt schon, dass ich froh bin, aus dieser beruflichen Sackgasse rauszukommen.

Mit einer besseren Nachricht hätte man das Jahr nicht beenden können.



Keine Kommentare

  1. crimsonidol sagt:

    Herzlichen Glückwunsch!
    Bin ebenfalls kein Anzugträger und kann dich da gut verstehen. Wünsche dir bei deinem neuen Job viel Erfolg. Auch wenn das mit diesen komischen Domains nach Neuland klingt. ;)

  2. Hakahori sagt:

    ;) Vielen Dank. Wird schon. Ich werde berichten.

  3. Marion sagt:

    Auch von mir herzlichen Glückwunsch!

    Ich finde es schade, dass immer so Elite-Style Standard Outfits a la Anzug und Krawatte bei Vorstellungsgesprächen verlangt werden – als wenn ein Anzug mit Krawatte bzw. ein Business Outfit irgendetwas über den Bewerber aussagt *kopfschüttel*

    Toll, dass du trotz allem noch einen passenden Job gefunden hast :-)

  4. Hakahori sagt:

    Wie gesagt: im Bankgeschäft kann ich das schon nachvollziehen ;) Aber überall sonst… weniger.

    Vielen lieben Dank :D

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