Hakahori

just saying

Sexy ist, wer sich anpasst

Wenn es um das Idealbild vom »modernen Menschen« geht, fällt mir vor allem die Aufregung in der Frauenwelt ein. Neben Gleichberechtigung und Frauenquote gab es schon vor etwas längerer Zeit das 90/60/90-Streitthema, welches die Medien bis heute weit verbreiten und – viel schlimmer – den Jugendlichen so einreden, wie eine attraktive junge Frau auszusehen hat – und wie nicht.
Dass dieses Scheinbild eines »perfekten Menschen« aber auch die Männerwelt betrifft, kehrt die gleichberechtigte Frau dabei gern mal still und heimlich unter den Teppich.

Wie ich auf dieses Random-Thema komme: In einem kurzen Radiobericht wurde das Thema Magersucht unter jugendlichen Mädels angesprochen, die mit allen Mitteln versuchen, dem medialen Idealbild der Frau von heute zu entsprechen. Soll heißen: möglichst schlank, runder Hintern, üppiger Busen und, abgesehen von einer wallenden Mähne, blank rasiert.
Fährt man an den großen städtischen Werbetafeln vorbei, schenkt man der Fernsehwerbung ausnahmsweise mal kurz seine Aufmerksamkeit oder blättert auch nur im wöchentlichen Werbeblättchen des Supermarkts seines Vertrauens, stellt man schnell fest: Dieses Schema F existiert ebenfalls schon seit Urzeiten auch in der Männerwelt.
Das mediale Idealbild ist also geschlechtsneutral. Übrigens ganz im Sinne der Gleichberechtigung.

In meinem Umfeld bekomme ich das eigentlich nur auf der Arbeit mit. Es gibt zwei, drei Azubis, die tagtäglich ihre Eiweißshakes penibel genau zur möglichst gleichen Uhrzeit runterkippen und ebenfalls fast täglich nach Feierabend das Fitnessstudio aufsuchen. Nickend nehme ich dann immer die stolze Berichterstattung der Jungs zur Kenntnis, wie oft sie diese Woche schon soundsoviele Gewichte soundsooft gestemmt haben.

»Warum tust du dir das alles eigentlich an?«
»Um fit zu bleiben. Sonst krieg ich doch keine Freundin ab.«

An der Stelle nicke ich wieder. Wer ext nicht gerne jeden Morgen zwei rohe Eier, nur um irgendwann eine zweiwöchige »Beziehung« zu einer oberflächlichen Tussi zu haben? Schlüssig, wenn es nach den Medien geht.
Der attraktive junge Mann von heute ist groß, hat breite Schultern und gepflegtes Haar, makellose, gebräunte Haut, trägt bloß keine Brille und ist sportlich bis super-sportlich. Apfelarsch, dicker Bizeps und Waschbrettbauch. Das volle Programm eben.

Soweit ich mich zurück erinnern kann, war das aber schon immer so. Die Bubis der Boybands aus den 90ern wurden ja auch schon nach dem Schema F ausgesucht. Nur dieser zwanghafte Fitnesstrend ist, vor allem bei Kerlen, neu. Nicht umsonst sprießen ja die Fitnessketten kaum zählbar wie Pilze aus dem Boden. Und sind dabei noch gut besucht, meist von der jüngeren Generation.
Gesund kann das alles aber nicht sein.

Es gibt sicherlich viele unterschiedliche Gründe, warum sich ein junger Mensch dazu entscheidet, die Hanteln zu schwingen. Wer ein paar Pfunde loswerden will, okay. Auch wem der Sport einfach nur Spaß macht, völlig okay.

Ich habe aber mittlerweile das Gefühl, dass die Zahl an Halbstarken zunehmen, die verzweifelt versuchen etwas in der Gesellschaft (und im Freundeskreis natürlich) darzustellen, um dazu zu gehören und eben dem idealen Bild eines Kerls zu entsprechen. Direkt an zweiter Stelle stehen dann natürlich die Weibsbilder, die eben auf diese Schablonen-Männchen stehen und sich allein durch das ansprechende Äußere, untenrum schon mal frei machen.

Nicht falsch verstehen: Attraktive Menschen sind schön anzusehen, problematisch wird es nur, wenn man fast schon gezwungen wird, sich diesem Bild anpassen zu müssen. Nicht umsonst sind ja heutzutage laut der Werbebranche dicke Menschen gleich hässlich und Brillenträger gleich Nerds.

Und dann stehe ich da, beobachte das ganze Treiben aus einem sicheren Abstand mit einem Fernglas vom anderen Ufer (*Schenkelklopfer*). Denn während die Meisten versuchen ihr angeblich überschüssiges Hüftgold zu stahlharten Muskeln zu formen, verhält es sich bei mir genau andersrum.

Untergewicht ist bei mir ein Thema und kriege demnach keine Pfunde drauf, egal wie viel ich an Futter in mich reinstopfe. Luxusproblem, mag jetzt den ein oder anderen Blitzbirnen als erster Gedanke durch die staubigen Hirnzellen geschossen sein – ist es aber nicht. Untergewicht ist genau so scheiße wie Übergewicht. Ebenfalls ungesund und schwer in den Griff zu bekommen. Abgesehen davon fällt man dadurch natürlich völlig aus dem Raster des medialen Scheinwerfers auch wenn man ironischerweise der Norm entspricht. Wenn es nach der Werbung ginge, müsste ich mich hundeelend fühlen und zwar so lange, bis ich endlich an Gewicht und Muskelmasse zunehme – und die Brille loswerde. Und trotzdem fühle ich mich halbwegs wohl, so wie ich bin.
Gut, gegen ein paar Kilo mehr hätte ich (und mein Arzt) nichts – daran wird auch gearbeitet. Aber abgesehen davon habe ich keinen inneren Drang irgendwann mal einem Cristiano Ronaldo, Chris Hemsworth oder von mir aus auch Arnold Schwarzenegger (in seinen besseren Jahren) Konkurrenz zu machen.

Körpergefühl hat viel mit dem eigenen Ego zu tun. Je größer das Ego, umso größer ist die eigene Verunsicherung und das macht einen automatisch anfälliger für diese unrealistischen Schönheitsideals. Krankhafter Narzissmus ist hierbei entweder der Tropfen auf dem heißen Stein oder eine völlig andere Kategorie, mit gleichem Ausgang.

Wir lassen uns also – und das nicht erst seit gestern – sagen, wie wir auszusehen haben, um im Leben und vor allem in der Liebe erfolgreich zu sein.
Dabei ein kleiner Tipp am Rande: Wenn die einzige Motivation für die Muckibude Liebe sein sollte, könnt ihr euch das Geld sparen. Mädels, die sich nur mit einem Kerl samt Waschbrettbauch auf eine Beziehung einlassen, sind pure Zeitverschwendung und menschlich höchstens so viel wert wie der eigene tägliche Kalorienverbrauch. Reine Oberflächlichkeit ist sicher für One Night Stands völlig ausreichend, für ernsthafte Beziehungen dagegen eher ein hoffnungsloser Versuch, der schneller ins Aus führt, als ihr nach dem Akt »Du nimmst doch die Pille, oder?« fragen könnt.

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