Hakahori

»Spectre«-Review

Doppelnull-Nummer?

Bond Nummer 24 aka »Spectre« hat viele gute Seiten. Die Stärken sehe ich in den Schauspielern, der im Vergleich zum Vorgänger vermehrten Action, sowie dem ebenfalls mehr vorhandenen Humor. Dass der Streifen insgesamt allerdings nicht an das Format von »Skyfall« oder gar »Casino Royale« herankommt, hat einige Gründe. Um die Sache nicht unnötig in die Länge zu ziehen, picke ich mir drei Schwächen des Films raus.

Alles natürlich erst mal spoilerfrei. Erst ganz zum Schluss gehe ich noch mal extra auf Spoiler-Szenen ein.

# Ein Quantum Waltz
Als Christoph Waltz als Bösewicht Franz Oberhauser angekündigt wurde, waren die Erwartungen für »Spectre« groß – auch bei mir. Waltz glänzt unlängst in jeder Rolle, vor allem wenn er einen bösen Buben spielen darf. Als Bond-Bösewicht kommt er aber nicht wirklich zum Glänzen, was an seiner raren Präsenz liegen dürfte.

Wenn ich mich nicht irre, hatte der Film (mit immerhin knapp 2 1/2 Stunden Spielzeit) ganze drei Szenen mit Waltz. Drei Szenen des Haupt-Gegenspielers von Bond. Das ist deutlich zu wenig, um Oberhauser als Bad Guy ernst nehmen zu können. Waltz bleibt schlichtweg keine Zeit, seinen Charakter zu entwickeln, mit Bond zu interagieren, usw.

Mit einem Raoul Silva aus »Skyfall« ist das nicht vergleichbar. Der war deutlich länger vor der Linse und eigentlich in allen größeren Action-Szenen mit involviert. Vergebenes Potential eines grandiosen Schauspielers, dank einem überladenden Plot.

Und damit sind wir beim Schwachpunkt Nummer Zwei:

# Der unnötige Subplot
Der Subplot von »Spectre« hat auffällige Parallelen mit der kompletten Story von »Mission: Impossible – Rogue Nation« (erst im August diesen Jahres erschienen). Ohne groß einen Spoiler durchrutschen zu lassen, geht es im Grunde um die Abschaffung der 00-Agenten und Verschmelzung des MI6 mit einer Google-ähnlichen Einrichtung. Klingt nicht uninteressant, wäre aber für »Spectre« nicht nötig gewesen.

Der Hauptakteur im Subplot ist Max Denbigh, gespielt von Andrew Scott. Dieser kommt leider nicht aus seiner Rolle als junger Moriarty (BBCs »Sherlock«) raus. Zumindest hatte ich Probleme, ihn als Denbigh zu sehen, da sein Schauspiel 1:1 Moriarty hätte sein können. Kann aber auch an mir liegen. Jedenfalls bleibt auch hier kaum Zeit für eine ordentliche Charakterentwicklung, sodass man ihn nicht ernst nehmen kann.

Den Subplot hätte man optimaler straffen oder vielleicht sogar ganz weglassen können. Zumindest hätte man die damit gewonnene Zeit perfekt für die nötige Plot- und Charakter-Entwicklung von Oberhauser nutzen können. Er hätte es gebraucht.

# Der alte Bond
Die in einigen Szenen gestreuten Hommage-Schnipsel an vergangene Bond-Highlights waren ein nettes Extra für aufmerksame Bond-Fans. Ob Bonds Verhalten in dem Film allerdings ebenfalls als Hommage an die gute alte Zeit gedacht war… Da bin ich mir nicht so sicher.

Was »Casino Royale« u.a. so gut gemacht hatte, war ein menschlicher Bond. Ein Bond, der auf die Schnauze kriegt, sich verletzt und eben nicht die Figur des unbesiegbaren, übermenschlichen Geheimagenten abgibt. In »Skyfall« verfolgte man diesen Pfad weiter, indem man Bond als einen gebrochenen, alternden Mann zeigte. In »Spectre« ist davon nichts mehr zu sehen. Man zeigt den alten, unbesiegbaren Bond, der aus jeder heillosen Situation problemlos und ohne einen Kratzer heraus kommt.

Neben den ganzen Action-Szenen ist eine besondere Szene, ca. 2/3 im Film, dafür bezeichnend. Bond entgeht der Situation auch hier ohne einen Kratzer bzw. sogar angekündigten Folgeschäden. Ein Super-Spion eben. Das mag einige, wenige Fans freuen, verhunzt aber irgendwo die ersten beiden Reboot-Filme (»Quantum of Solace« überspringen wir mal in Gedanken) und tut der Entwicklung der Neuausrichtung von Bond alles andere als gut.

Zum gewissenlosen Frauenverbrauch der alten Schule und der Unbesiegbarkeit kommt dann noch eine fast magische Munition, die alles Mögliche vom Himmel schießen kann. Silly.

»Spectre« ist mit Sicherheit kein schlechter Bond-Film und auch nicht Craigs schlechtester. Er kommt aber gleichzeitig nicht an die erwähnten Tausendsassa, »Casino Royale« und »Skyfall«, heran. Man hat sich bei der Story etwas übernommen, wollte zu viel in zu kurzer Zeit und hat dabei den Faden verloren. Charaktere bleiben als Folge leider auf der Strecke und der Zuschauer muss sich mit einem unbefriedigenden dritten Akt/ Ende zufrieden geben. Der gleichzeitige Rückschritt der Craig’schen Figur Bond und die Rückkehr zur überholten, staubigen 007-Formel ist unglücklich.

Der Film hat im Grunde alles: Action, Frauen, Weltreisen, Spionage-Flair, Twists, Humor und nicht zuletzt eine großartige Cinematographie. Lediglich beim überladenden Drehbuch scheitert »Spectre« an den hohen Erwartungen, die Sam Mendes mit »Skyfall« gesetzt hat.

Vielleicht befeuert ja die Wiederbelebung von Jason Bourne die Macher des 25. Bond-Films, wieder die passende Spurrille zu finden.

SPOILER-ZONE

Wer den Film schon gesehen hat oder wen Spoiler nicht stören sollten, kann ab hier gern weiterlesen. Ab hier teile ich ein paar spoilerbehaftete Gedankenfetzen meinerseits.

Die neue Backstory von Oberhauser kaufe ich dem Film gerne ab, seine bösen Absichten allerdings nicht. Was genau war die Motivation von Oberhauser aka Blofeld, Bonds Leben seit »Casino Royale« schwerer zu machen? Er hasst ihn, weil sein Vater ihm mehr Aufmerksamkeit schenkte, okay. Aber deswegen gleich eine Geheimorganisation gründen und Bond aus dem Schatten heraus subtil quälen? Und wo hat Blofeld das ganze Geld und Personal dafür her?
Übrigens weist die Backstory lustigerweise einige Parallelen zu der von Austin Powers und Dr. Evil auf. Just saying.

Dass es sich im Übrigen bei Franz Oberhauser um Ernst Stavro Blofeld handelt war kein wirklicher Schocker. Zumindest habe ich niemanden in der entsprechenden Szene im vollbesetzten Kino schwer einatmen hören. Ich fand es eher schockierend, dass nur wenige Kugeln ausreichten, um das ganze Hauptquartier des Bösewichts in die Luft zu jagen. Silly.

Zuvor stellt sich mir die Frage, warum Bond ohne weitere Kratzer oder Einschränkungen die Folterszene überstehen konnte. An einem Stuhl gefesselt, lässt Blofeld einen Mini-Bohrer einmal in seinen Schädel und anschließend in seinen Hals fahren. Dabei erklärt er noch überschwänglich, welche Folgen das haben wird (u.a. Gedächtnisverlust). Entweder hat er dabei nicht die richtigen Stellen getroffen oder Bond ist selbst gegen medizinische Eingriffe immun.

Im dritten und letzten Akt des Films geht es Bond um alles. Er wird in das geräumte MI6-Gebäude gelockt, wo er auf Blofeld trifft (diesmal mit seiner frischen, markanten Narbe). Dieser löst den Timer einer Mega-Bombe aus und verrät Bond, dass sein Bond-Girl irgendwo im Gebäude versteckt sei und er nun die Wahl habe zu fliehen oder sie zu retten. Natürlich sprintet Bond durch den gesamten Komplex und findet sie letztlich auch. Währenddessen beobachtet Blofeld alles von einem Helikopter aus. Hier sind einige Dinge unstimmig und wenig logisch:

Craig verkörperte bisher immer einen kühlen Bond, der seit Vesper Lynds Tod niemanden mehr an sich heran gelassen hat. Den ganzen Film über war die Beziehung zwischen Bond und Madeleine Swann, so der Name des Bond-Girls (und ja, ich musste ihn googlen), eher oberflächlich und beruflich. Am Ende des Films sollen die Zuschauer dann plötzlich, wie aus dem Nichts, davon überzeugt werden, dass sich Bond verknallt hat? Das ist etwas zu viel des Guten.

Generell war der eigentliche Höhepunkt des Films nicht wirklich spannend. Abgesehen davon muss man sich schon wundern, warum Blofeld in seinem Heli nicht geflohen ist. Stattdessen beobachtet er Bond und will ihn sterben sehen, okay. Dass Bond dem ganzen Übel aber entkommt und den Heli mit seiner Walther-Munition vom Himmel holt (!!!) wirkte dagegen eher lächerlich und hat sehr an die naive Roger Moore-Ära erinnert. Vielleicht ja eine weitere Hommage (…).
Ein harter Endkampf mit einem überraschend auftauchenden Hinx wäre da deutlich spannender gewesen.

Blofeld überlebt natürlich, am Boden liegend und dämlich grinsend. Bond schlängelt sich darauf mit seiner neuen Flamme im klassischen Aston Martin DB5 in die Londoner Rush-Hour. The End. Unbefriedigend, emotionslos, silly.



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