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Hakahori

just saying

Narziss

Narzissten wird es dieser Tage ziemlich leicht gemacht ihre Minderwertigkeitskomplexe zu befriedigen. Instagram, Facebook, Twitter & Co. laden täglich zu etlichen Duckface- oder oben ohne-Selfies ein. Braucht kein Mensch, außer halt eben jene Exemplare, die ohne ein imaginäres Schulterklopfen den Tag nicht überstehen würden.
Hast Du feeeeeein gemaaaacht!

Es mag eine reine subjektive Wahrnehmung sein, aber gefühlt hat diese nervtötende Art von Selbstdarstellung stark zugenommen. Beim Durchscrollen der (a)sozialen Netzwerke kommt es dementsprechend häufig vor, dass ich mich vor lauter Schwindel vom Augenrollen am Tisch festkrallen muss.

Narzissmus bedeutet nicht nur, dass man sich beim eigenen Anblick im Spiegel am Liebsten selbst einmal komplett ablecken, begatten und heiraten würde (in dieser Reihenfolge). Hier geht es eigentlich nur um Bestätigung. Um Likes, Favs oder entsprechend anerkennende Kommentare. Seele tätscheln. Gehört bekommen, wie toll man doch ist, bzw. – noch weniger aussagekräftig – wie toll man doch aussieht. Als ob es darauf im wahren Leben ankäme.

Findet man auf diesem Weg etwa seinen Traumjob? Wenn es nicht gerade ein Modeljob ist, eher unwahrscheinlich. Oder etwa die Liebe fürs Leben? Nein, wohl eher ein One Night Stand.
Aber trotzdem toll, dass man ständig auf dem Laufenden gehalten wird, wie oft jemand ins Fitnessstudio geht – mit entsprechenden Bildern – oder vor welchen trivialen Orten man hässliche Schnuten zieht.

Vielleicht bin ich aber auch einfach nur etwas vorbelastet. Menschen, die gut aussehen aka den aktuellen Werbe-Idealen entsprechen und es wissentlich einsetzen, waren mir schon immer suspekt. Eine interessante, charakterliche Tiefe findet man bei solchen Exemplaren meist nicht. Abgesehen von einem tiefen Nichts in den hohlen Birnen vielleicht.
Anders ausgedrückt: Bei Narzissten sehe ich mittlerweile automatisch über ihr Schauspiel hinweg und erwarte genau so viel bzw. wenig wie von »normalen« Menschen. Und das ist nicht viel, erwarte ich von meinem Gegenüber doch in aller Regel Hauptsächlich ein Mindestmaß an Respekt. Dumm nur, dass sich Schönlinge meist auf einem hohen Ross gesattelt fühlen und sich ebenso von oben herab benehmen. Respekt? Fehlanzeige.

Ich habe ein bisschen Sorge, dass sich die ohnehin schon stark verbreitete Oberflächlichkeit weiter in unserer Gesellschaft ausbreitet. Das fängt bei Klamotten an, geht über Frisuren und hört dann beim BMI auf. Das alles gab es früher auch, klar, aber erst durch das digitale Neuland wird den Selbstdarstellern eine breite Bühne geboten. Und gängige Schnellfick-Apps tun ihr weiteres.

Übrigens war ich gerade eben nicht ganz ehrlich: Ich bin nicht wirklich besorgt. Narzissten gab es, wie gesagt, schon immer und wird es immer geben. Die öffentliche Fleischbeschau wird niemand aufhalten, geschweige denn beenden können. Das ist ein Umstand, an den man sich gewöhnen muss. Oder genauer: an den man sich gewöhnen muss, ihn zu ignorieren. Und mittlerweile gelingt mir das überraschend gut.


26. Mai 2016 - Tags: , ,