Hakahori

Erwartungshaltung

Es ist schon komisch. Ohne mir jetzt selbst auf die Schulter klopfen zu wollen, tue ich immer mein Bestes pünktlich zu sein, diszipliniert meiner Arbeit nach zu gehen und einfach zuverlässig zu arbeiten. Das sind an sich alles gute Tugenden, die allerdings nach einiger Zeit von anderen als selbstverständlich hingenommen werden. Es wird von einem erwartet, dass man immer so tickt und beispielsweise immer, ohne Murren, Überstunden in Kauf nimmt.
Dass es auch anders geht, beweisen andere Kollegen bzw. Leute. Ist es nicht klüger diese Tugenden zu vergessen und einfach unzuverlässig durchs Leben zu gehen, wie so viele andere auch? Sich einfach nur um sich selbst zu kümmern und andere mal machen zu lassen? Denjenigen scheint es jedenfalls mit dieser Lebenseinstellung besser zu gehen…

Mittlerweile habe ich einen gesunden, zynischen Trotz gegenüber solchen Menschen und Situationen entwickelt. Irgendwann sind auch meine Batterien mal aufgebraucht, ist meine Geduld am Ende und das Fass bis zum Rand gefüllt. Die nette Fassade rund um diese Freundlichkeit beginnt allmählich zu bröckeln. Ich mache meine Arbeit und wenn der Feierabend gekommen ist, gehe ich auch. Kein »Könntest Du noch…?« oder »Würdest Du…?« mehr. Mittlerweile bin ich es einfach leid schlechter behandelt (und schlechter bezahlt) zu werden, als jene, die weniger tun und trotzdem scheinbar alles bekommen, was sie wollen.
Ein immer wiederkehrendes Beispiel ist da der Urlaub. Jeder Mitarbeiter hat, klar, eine bestimmte Anzahl an Urlaubstagen pro Jahr. Abgesehen von der Umzugswoche und dem Griechenlandurlaub habe ich mich bisher damit zurück gehalten. Während einige einen Urlaub nach dem anderen planen oder einfach so grundlos, wochenlang fehlen (dürfen), halte ich mich brav zurück. Der Clou ist, dass, egal was ich in dieser Situation mache, gemotzt wird. Nehme ich Urlaub, muss ich mich dafür rechtfertigen; vielleicht ist das nie wirklich ernst gemeint, aber die lästige Fragerei nach dem »Warum?« ist einfach nur noch nervig. Spare ich den Urlaub und nehmen einige Tage mit ins nächste Jahr, ist das natürlich auch wieder falsch. Wie konnte ich nur. Ich kann so oder so nicht gewinnen.
Und so geht es auch mit vielen anderen Dingen.

Was mich eigentlich aufregt, ist die Tatsache, dass jeder nur an sich denkt. Nur an seinen eigenen Urlaub, an sein eigenes Wohl. Das ist mir, als fanatischer Empathie-Krüppel, unerklärlich. Egal was ich tue, ich beziehe andere Menschen immer mit ein.
Kann ich dann und dann überhaupt Urlaub nehmen? Haben da andere schon Urlaub? Natürlich mache ich heute länger, du hast immerhin noch ein krankes Kind zu Hause. Etc…
Und ja, ich würde mir wünschen, dass sich diese Denkweise auch mal bei den anderen breit macht. Tut es das? Natürlich nicht. Egoismus macht sich breit, niemand denkt in irgendeiner Weise an andere. Genau das ist es, was mich fertig macht. Man wird nicht nur ausgenommen, man fühlt sich nach einiger Zeit auch so. Abgesehen von der daraus hervorgehenden Schwere, kommt auch noch das Problem hinzu, dass man so – unter diesen Umständen – keinen Schritt weiter kommt. Man muss zwangsläufig auch mal auf sich selbst achten und lernen »Nein« zu sagen.

Fast täglich kommen andere auf mich zu und erzählen mir von ihren Problemen. Ich scheine ja immer zu funktionieren und selbst nie irgendwelche Probleme zu haben. Ich höre immer geduldig zu, sage meine Meinung und gut ist. Aber kommt auch nur einer von diesen Leuten mal von sich aus auf mich zu und tut das gleiche für mich? Oder ist das schon wieder zu viel verlangt?! Wahrscheinlich denke ich zu »komisch«. Empathie wird zu einer Last.
Versteht mich nicht falsch, mit mir kann man wirklich immer reden, ich habe wirklich immer ein offenes Ohr. Nur, sobald ich mich nicht ernst genommen fühle, schalte ich ab. Dann darf man von mir weder Mitleid noch sonst irgendein Mitgefühl erwarten. Jeder trägt sein Päckchen, auch ich. Wenn ihr mich jetzt fragt, von wie vielen Menschen in meinem Umfeld ich mich nicht ernst genommen fühle… Fragt lieber anders rum: Von wie vielen fühle ich mich ernst genommen? Wenn‘s hoch kommt, komme ich insgesamt auf vielleicht zwei oder drei Leute. Der Rest interessiert sich weder für mich noch für sonst jemanden. I, me, mine. Und genau diese Mehrheit an Leuten ist es, die mich nie verstehen werden, wo es nie zu einer tieferen Freund- oder Bekanntschaft kommen wird.
Das ist auch ein Grund dafür, dass ich nur noch zwei bis drei Kontakte in meinem Messenger habe. Früher waren es mal deutlich mehr, zweistellig. Nach und nach meldet sich dann keiner mehr, man ist ja uninteressant (es sei denn, sie haben ein Problem… natürlich). Es ist generell schwer Freundschaften aufzubauen, wenn ich immer gleich die Erwartungshaltung habe, dass derjenige letztlich eh nur an sich denkt bzw. ich eine untergeordnete Rolle spiele, wenn überhaupt. Das Traurige dabei ist, dass meine Denke von mal zu mal bestätigt wird, immer wieder.
Ist die Welt so oder bin ich einfach zu komisch gestrickt? Oder ist meine Denkweise allein schon egoistisch, weil ich von anderen erwarte, so zu ticken wie ich?

Auf der Arbeit habe ich jedenfalls einen Weg oder eher das nötige Selbstbewusstsein gefunden. Ich bin mittlerweile lange genug dort, kenne alle Leute und kann mit Recht behaupten, dass ich nicht gerade wenig für mein Geld tue. Nach all der langen Zeit bin ich an der »Jetzt bin ich mal dran«-Mentalität angekommen. Natürlich wird das nicht allen gefallen und natürlich werde ich so für einige schnell zum Arschloch abgestempelt werden, als »kühler Kerl«, wie man mich vor kurzem schon nannte, aber das ist mir egal.
Es gibt Momente im Leben, da kommt man mit Freundlichkeit nicht weiter.



Keine Kommentare

  1. Dommie sagt:

    Gerade auf der Arbeit merkt man schon, dass meistens eben die, die nur das Noetigste (wenn ueberhaupt) machen viel weiter kommen als jemand, der sich richtig reinkniet.
    Auch ein Grund, wieso ich selbst auch mittlerweile nicht mehr alles mit mir machen lasse.
    Bei mir hat einer fast 70 Fehlstunden, aber er geht frueher und kommt meistens unpeunktlich. Allerdings bekommt der nichts davon zu spueren.
    Ich hab ungefaher das gleiche als Ueberstunden und bekomme nen dummen Spruch von der Chefetage, wenn ich mich erdreiste frueher zu gehen.
    Es „lohnt“ sich einfach nicht mehr wirklich der anstaendige Arbeiter zu sein.
    Arbeit nach Vorschrift ist das Beste; Puenktlich kommen, seine Arbeit anstaendig verrichten und auch wieder puenktlich Gehen. Fertig.

    Und Beziehungen unter den Kollegen sind doch eh meist Oberflaechlich ohne Ende.
    Ich glaube bei uns denken alle so; darum kommt man waehrend der Arbeit miteinander klar, macht seine Scherze und redet, aber mit dem Abstempeln geht jeder seinen eigenen Weg und genug.